Definition und Wortbedeutung
Die Gabe der Dämonenaustreibung, auch als Exorzismus bekannt, bezieht sich auf die besondere Befähigung, böse Geister oder dämonische Einflüsse aus Menschen auszutreiben oder zu vertreiben. Obwohl im Neuen Testament kein spezifisches griechisches Wort existiert, das diese Gabe als eigenständiges Charisma bezeichnet, wird die Praxis selbst mit verschiedenen Begriffen beschrieben:
- ἐκβάλλω (ekbállō): bedeutet „hinauswerfen“ oder „austreiben“ und wird im Zusammenhang mit der Austreibung von Dämonen verwendet (Markus 1,34; 1,39; 3,15)
- ἐξορκιστής (exorkistḗs): kommt von „exorkízō“ (beschwören, einen Eid abnehmen) und bezeichnet einen „Beschwörer“ oder „Exorzisten“ (Apostelgeschichte 19,13)
- ἐπιτιμάω (epitimáō): bedeutet „befehlen“, „gebieten“ oder „zurechtweisen“ und wird verwendet, wenn Jesus Dämonen befiehlt, auszufahren (Markus 1,25; Lukas 4,35)
Diese sprachlichen Nuancen verdeutlichen, dass es bei der Gabe der Dämonenaustreibung um geistliche Autorität handelt, die im Namen Jesu ausgeübt wird, um dämonische Mächte zu konfrontieren und zu vertreiben.
Biblische Grundlage
Die Gabe der Dämonenaustreibung ist in verschiedenen neutestamentlichen Texten verankert:
Direkte Erwähnungen und Vollmacht zur Dämonenaustreibung:
- Markus 16,17: „Die Zeichen aber, die folgen werden denen, die da glauben, sind diese: In meinem Namen werden sie böse Geister austreiben…“
- Matthäus 10,1: „Und er rief seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen Macht über die unreinen Geister, dass sie die austrieben und heilten alle Krankheiten und alle Gebrechen.“
- Lukas 10,17-19: „Die Siebzig aber kamen zurück voll Freude und sprachen: Herr, auch die bösen Geister sind uns untertan in deinem Namen! Er aber sprach zu ihnen: Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz. Seht, ich habe euch Macht gegeben, zu treten auf Schlangen und Skorpione, und Macht über alle Gewalt des Feindes; und nichts wird euch schaden.“
Beispiele für Dämonenaustreibungen im Neuen Testament:
- Durch Jesus:
- Der Besessene in der Synagoge (Markus 1,23-26)
- Der Gerasener/Gadarener (Markus 5,1-20)
- Die Tochter der syrophönizischen Frau (Markus 7,24-30)
- Der mondsüchtige Knabe (Matthäus 17,14-21)
- Die gekrümmte Frau (Lukas 13,10-17)
- Durch die Apostel und frühen Christen:
- Paulus und die Magd mit dem Wahrsagegeist (Apostelgeschichte 16,16-18)
- Die sieben Söhne des Skevas als Negativbeispiel (Apostelgeschichte 19,13-16)
- Philippus in Samaria (Apostelgeschichte 8,6-7)
Dämonenaustreibung im biblischen Kontext
Im Alten Testament
Im Alten Testament gibt es weniger direkte Beispiele für Dämonenaustreibungen im modernen Sinne, aber durchaus Hinweise auf den Umgang mit bösen Geistern:
- Der böse Geist bei Saul, der durch Davids Harfenspiel vertrieben wurde (1. Samuel 16,14-23)
- Die Unterscheidung zwischen echten Propheten und falschen Geistern (1. Könige 22)
- Dämonen oder Feldgeister werden erwähnt, denen geopfert wurde (3. Mose 17,7; 5. Mose 32,17)
- Der Begriff „Schadensgeister“ (Psalm 91,5-6)
- Der Dämon Asmodäus im Buch Tobit (apokryph)
Im jüdischen Kontext zur Zeit Jesu
Zur Zeit Jesu war der Glaube an Dämonen und deren Austreibung im jüdischen Kontext verbreitet:
- Verschiedene jüdische Exorzisten waren tätig (Matthäus 12,27; Apostelgeschichte 19,13)
- Exorzistische Praktiken werden in den Schriftrollen vom Toten Meer erwähnt
- Der jüdische Historiker Josephus berichtet von Exorzismen
- Es gab unterschiedliche Methoden und Rituale zur Dämonenaustreibung
Im frühen Christentum
Jesu Umgang mit Dämonen unterschied sich deutlich von den zeitgenössischen Praktiken:
- Jesus trieb Dämonen durch sein bloßes Wort aus, ohne komplizierte Rituale
- Er handelte in eigener Autorität: „Ich gebiete dir…“
- Die Verbindung zwischen seinem messianischen Auftrag und der Befreiung von Dämonen wurde betont
- Die Jünger trieben Dämonen im Namen Jesu aus, nicht durch eigene Kraft
Kennzeichen und Ausdrucksformen der Gabe der Dämonenaustreibung
Kennzeichen
Menschen mit der Gabe der Dämonenaustreibung zeigen typischerweise folgende Merkmale:
- Geistliche Unterscheidungsfähigkeit: Die Fähigkeit, zwischen psychischen, physischen und dämonischen Ursachen von Problemen zu unterscheiden
- Autoritatives Auftreten: Ein von Vollmacht geprägtes Auftreten in der Konfrontation mit dämonischen Kräften
- Furchtlosigkeit: Keine unangemessene Angst vor dem Bösen oder vor dämonischen Manifestationen
- Gebetsleben: Ein intensives Gebetsleben und enge Verbindung zu Gott
- Bibelkenntnis: Fundierte Kenntnis der biblischen Lehre über geistliche Mächte
- Sensitivität: Feinfühligkeit für geistliche Atmosphären und Realitäten
- Nüchternheit: Eine ausgeglichene, nicht-sensationalistische Herangehensweise
- Demut: Das Bewusstsein, dass die Kraft von Christus kommt, nicht aus eigener Stärke
- Mitgefühl: Tiefes Mitgefühl für Menschen, die unter dämonischen Einflüssen leiden
Ausdrucksformen
Die Gabe der Dämonenaustreibung kann sich in verschiedenen Formen manifestieren:
- Befreiungsdienst: Gezielte Gebete und Dienste zur Befreiung von dämonischen Bindungen
- Prophetische Konfrontation: Direkte Ansprache und Entlarvung dämonischer Einflüsse
- Gebetsunterstützung: Unterstützende Rolle in Teams, die sich mit Befreiungsdienst befassen
- Seelsorgerliche Begleitung: Längerfristige Begleitung von Menschen nach einer Befreiung
- Lehrdienst: Aufklärung und biblische Lehre über den Umgang mit dämonischen Einflüssen
- Fürbitte: Intensives Gebet für Menschen, die unter okkulten oder dämonischen Belastungen leiden
- Räumliche Reinigung: Gebet für Orte oder Räume, die von negativen geistlichen Einflüssen betroffen scheinen
Theologische Perspektiven zur Gabe der Dämonenaustreibung
1. Die traditionell-katholische Perspektive
Diese Sichtweise betont:
- Die formale Unterscheidung zwischen „großem Exorzismus“ (nur durch autorisierte Priester) und „kleinem Exorzismus“ (Taufliturgie, Gebete)
- Die institutionelle Einbettung des Exorzismus in kirchliche Strukturen und Amtsautorität
- Detaillierte liturgische Formen und Rituale für den Exorzismus
- Die Notwendigkeit medizinischer und psychologischer Abklärung vor einem Exorzismus
- Eine vorsichtige, zurückhaltende Praxis, die auf klaren Anzeichen dämonischer Präsenz basiert
2. Die evangelikal-charismatische Perspektive
Dieser Ansatz unterstreicht:
- Die direkte Vollmacht jedes Gläubigen zur Befreiung im Namen Jesu
- Die Aktualität und Verbreitung dämonischer Aktivität in der heutigen Welt
- Weniger formalisierte Abläufe, stärkere Betonung der geistlichen Leitung im Moment
- Die Befreiung als Teil des umfassenden Heilungsauftrags der Gemeinde
- Die Verbindung zwischen Evangelisation und Befreiungsdienst, besonders in missionarischen Kontexten
3. Die skeptisch-moderne Perspektive
Diese Sichtweise hebt hervor:
- Die kulturelle und historische Bedingtheit dämonologischer Vorstellungen
- Die Notwendigkeit, zwischen antiken Weltbildern und heutigen Erkenntnissen zu differenzieren
- Die Gefahr der Vermischung von psychischen Störungen mit dämonischen Erklärungsmodellen
- Die symbolische Interpretation biblischer Dämonenaustreibungen als Befreiung von unterdrückenden Mächten
- Die soziale und politische Dimension der Befreiung als Zentrum des Evangeliums
Biblische Beispiele der Gabe der Dämonenaustreibung
1. Jesus Christus
Als das zentrale Vorbild für Dämonenaustreibung:
- Er begegnete verschiedensten Arten von Besessenheit: Stummheit (Matthäus 9,32-33), Blindheit (Matthäus 12,22), Epilepsie-ähnliche Symptome (Markus 9,17-29), Wahnsinn und Gewalt (Markus 5,1-20)
- Seine Methoden waren direkt und autoritativ: „Fahre aus von ihm!“ (Markus 1,25)
- Er lehrte über die Logik des Reiches Gottes vs. Satans Reich (Matthäus 12,25-29)
- Er verband Dämonenaustreibung mit dem Kommen des Reiches Gottes: „Wenn ich aber durch Gottes Finger die bösen Geister austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen“ (Lukas 11,20)
2. Die Apostel
Als Beispiele der delegierten Vollmacht:
- Sie erhielten spezifisch die Vollmacht, Dämonen auszutreiben (Matthäus 10,1)
- Sie praktizierten dies während der Aussendung (Markus 6,13; Lukas 10,17)
- Petrus und sein Schatten: „Es wurden auch viele Kranke aus den Städten umher nach Jerusalem gebracht und solche, die von unreinen Geistern geplagt waren; und alle wurden gesund“ (Apostelgeschichte 5,16)
3. Paulus
Als Beispiel apostolischer Autorität:
- Die Befreiung der Wahrsagerin in Philippi: „Paulus aber wurde unwillig und wandte sich um und sprach zu dem Geist: Ich gebiete dir im Namen Jesu Christi, dass du von ihr ausfährst. Und er fuhr aus zu derselben Stunde“ (Apostelgeschichte 16,18)
- Die Verwendung von Tüchern und Schürzen: „Gott wirkte nicht geringe Taten durch die Hände des Paulus. So hielten sie auch die Schweißtücher und andere Tücher, die er auf seiner Haut getragen hatte, über die Kranken, und die Krankheiten wichen von ihnen und die bösen Geister fuhren aus“ (Apostelgeschichte 19,11-12)
4. Philippus
Als Beispiel für Dämonenaustreibung im Rahmen der Evangelisation:
- „Denn unreine Geister fuhren aus bei vielen, die von ihnen besessen waren, unter großem Geschrei; auch viele Gelähmte und Verkrüppelte wurden gesund gemacht“ (Apostelgeschichte 8,7)
Anwendung und Praxis der Gabe der Dämonenaustreibung
Grundprinzipien für die Ausübung der Gabe
Die biblischen Berichte und die kirchliche Erfahrung legen einige grundlegende Prinzipien nahe:
1. Autorität durch Unterordnung:
- „Darum seid Gott untertan. Widersteht dem Teufel, so flieht er von euch“ (Jakobus 4,7)
- Die Autorität zur Dämonenaustreibung kommt nicht aus eigener Kraft, sondern aus der Unterordnung unter Christus
2. Nüchternheit und Unterscheidung:
- „Prüft die Geister, ob sie von Gott sind“ (1. Johannes 4,1)
- Nicht jedes Problem hat dämonische Ursachen; medizinische, psychologische und soziale Faktoren müssen berücksichtigt werden
3. Gebet und Fasten:
- „Diese Art kann durch nichts ausfahren als durch Beten und Fasten“ (Markus 9,29 in einigen Handschriften)
- Geistliche Vorbereitung und Abhängigkeit von Gott sind entscheidend
4. Fokus auf Christus, nicht auf Dämonen:
- Vermeidung von ungesunder Faszination für das Dämonische
- Zentrierung auf die Herrschaft Christi statt auf dämonische Manifestationen
5. Teamarbeit und Rechenschaftspflicht:
- „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen…“ (Matthäus 18,20)
- Die Ausübung der Gabe im Kontext eines Teams bietet Schutz und Weisheit
Entwicklung und Förderung der Gabe der Dämonenaustreibung
Die Gabe kann in einem gesunden biblischen Rahmen entwickelt werden:
1. Biblisches Studium:
- Gründliches Studium der biblischen Lehre über geistliche Kampfführung
- Verständnis der Grenzen und Möglichkeiten dämonischer Aktivität
2. Mentoring und Begleitung:
- Lernen von erfahrenen Personen mit dieser Gabe
- Schrittweise Übernahme von Verantwortung unter Anleitung
3. Geistliches Training:
- Entwicklung eines disziplinierten Gebets- und Fastenlebens
- Übung in geistlicher Unterscheidungsfähigkeit
4. Praktische Erfahrung:
- Mitarbeit in Befreiungsteams
- Reflektierte Praxis mit angemessenem Feedback
5. Interdisziplinäre Bildung:
- Grundkenntnisse in Psychologie und Psychiatrie zur besseren Unterscheidung
- Kulturelles Verständnis für verschiedene Manifestationen des Dämonischen
Die Gabe der Dämonenaustreibung im Verhältnis zu anderen Gaben
Die Gabe steht in besonderer Beziehung zu anderen Geistesgaben:
- Unterscheidung der Geister: Die engste Verbindung besteht zur Gabe der Geisterunterscheidung, die hilft, dämonische Einflüsse von natürlichen oder psychischen Ursachen zu unterscheiden.
- Heilung: Oft treten diese beiden Gaben gemeinsam auf, da viele biblische Heilungen mit der Austreibung von Dämonen verbunden waren, besonders bei Krankheiten, die auf dämonische Ursachen zurückgeführt wurden.
- Prophetie: Die prophetische Gabe kann Einblicke in verborgene geistliche Realitäten geben, die für den Befreiungsdienst relevant sind.
- Weisheit und Erkenntnis: Diese Gaben sind wichtig, um Strategien für komplexe Befreiungssituationen zu entwickeln und verborgene Zusammenhänge zu erkennen.
- Leitung: Für den verantwortungsvollen Umgang mit dem Befreiungsdienst in der Gemeinde ist kluge Leitung unerlässlich.
Gefahren und Herausforderungen
Die Gabe der Dämonenaustreibung birgt spezifische Versuchungen und Herausforderungen:
1. Überbetonung des Dämonischen:
- Die Tendenz, überall dämonische Aktivität zu sehen
- Vernachlässigung natürlicher, psychologischer oder sozialer Erklärungen
- „Dämonisierung“ von gewöhnlichen Problemen oder Sünden
2. Sensationalismus:
- Die Versuchung, dramatische Manifestationen zu suchen oder zu provozieren
- Fokussierung auf das Spektakuläre statt auf nachhaltige Freiheit
- Selbstdarstellung statt dienender Haltung
3. Geistlicher Hochmut:
- Entwicklung eines Elitebewusstseins aufgrund der besonderen Gabe
- Überheblichkeit gegenüber anderen Diensten oder Gemeinden
- Machtmissbrauch unter dem Deckmantel geistlicher Autorität
4. Methodenfixierung:
- Vertrauen auf Formeln oder Techniken statt auf die Gegenwart Christi
- Entwicklung von abergläubischen Praktiken ohne biblische Grundlage
- Ritualisierung statt relationaler Beziehung zu Gott
5. Traumatisierung:
- Risiko der Retraumatisierung bei unsensiblen Befreiungsdiensten
- Erzeugung von Angst und Verunsicherung durch übertriebene Dämonisierung
- Vernachlässigung von Nachsorge und Begleitung nach einer Befreiung
Praktische Anwendung in verschiedenen Kontexten
1. In der Gemeinde
- Bildung spezialisierter Befreiungsteams mit entsprechender Schulung
- Integration in den allgemeinen Heilungs- und Seelsorgedienst
- Klare Richtlinien und Strukturen für den Befreiungsdienst
- Nachsorge und Jüngerschaft für befreite Personen
- Präventive Lehre über geistlichen Schutz und Autorität in Christus
2. In der Mission
- Kulturell angemessene Ansätze für verschiedene Weltanschauungen
- Besondere Relevanz in Kontexten mit animistischem oder okkultem Hintergrund
- Verbindung von Evangelisation und Befreiungsdienst
- Schulung einheimischer Leiter im biblischen Umgang mit dem Dämonischen
- Vermeidung von kulturellem Imperialismus oder Missachtung lokaler Realitäten
3. In der seelsorgerlichen Begleitung
- Integration in längerfristige seelsorgerliche Prozesse
- Beachtung von Zusammenhängen zwischen Traumata und dämonischer Belastung
- Ganzheitlicher Ansatz, der Körper, Seele und Geist berücksichtigt
- Verbindung mit Jüngerschaft und geistlichem Wachstum
- Unterstützung beim Aufbau gesunder Beziehungen und Gemeinschaften
4. In spezifischen Krisensituationen
- Umgang mit akuten dämonischen Manifestationen
- Intervention bei okkulter Verstrickung oder bewusster Öffnung für das Dämonische
- Hilfe bei dämonischen Belästigungen in Häusern oder an Orten
- Befreiung von generationenübergreifenden Bindungen oder Flüchen
- Unterstützung von Menschen mit medialer Veranlagung oder ungewollter spiritueller Öffnung
Kirchengeschichtliche Perspektive
Die Praxis der Dämonenaustreibung hat in der Kirchengeschichte verschiedene Phasen durchlaufen:
1. In der frühen Kirche:
- Exorzismus war ein selbstverständlicher Teil des frühchristlichen Dienstes
- Spezielle Dienste des Exorzisten entwickelten sich im 3. Jahrhundert
- Taufvorbereitungen beinhalteten exorzistische Gebete
- Apologeten wie Justin der Märtyrer oder Gregor der Wundertäter verwiesen auf erfolgreiche Dämonenaustreibungen als Beweis für die Wahrheit des Christentums
2. Im Mittelalter:
- Zunehmende Ritualisierung und Formalisierung des Exorzismus
- Verbindung mit Hexenverfolgung und abergläubischen Praktiken
- Entwicklung ausführlicher exorzistischer Handbücher und Liturgien
- Beginn der kirchlichen Regulierung durch spezielle Genehmigungen
3. In der Reformationszeit:
- Verschiedene reformatorische Haltungen: Luther betonte weiterhin die Realität der dämonischen Welt, während andere reformierte Traditionen zurückhaltender wurden
- Kritik an abergläubischen Praktiken und magischen Elementen
- Dennoch Fortsetzung exorzistischer Praktiken in verschiedenen Traditionen
4. In der modernen Zeit:
- Aufklärerische Kritik und Psychologisierung führten zu einem Rückgang formeller Exorzismen
- Wiederbelebung in pfingstlich-charismatischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts
- Entwicklung des „Befreiungsdienstes“ als moderne Form der Dämonenaustreibung
- Zunehmende Integration psychologischer Erkenntnisse in christliche Befreiungsdienste
- Renaissance des Exorzismus auch in traditionellen Kirchen, aber unter strengeren Auflagen
Interkulturelle Perspektiven zur Dämonenaustreibung
Die Wahrnehmung und Praxis der Dämonenaustreibung variiert stark zwischen verschiedenen Kulturen:
Afrikanische Perspektiven:
- Hochentwickelte Kosmologien mit verschiedenen Geistwesen und Ahnengeistern
- Starkes Bewusstsein für die spirituelle Dimension von Krankheit und Unglück
- Befreiungsdienst als zentrales Element afrikanischer Theologie und Praxis
- Herausforderung der Kontextualisierung ohne Synkretismus
Asiatische Perspektiven:
- Vielfältige spirituelle Landschaften mit lokalen Gottheiten und Geistern
- Animistische Traditionen mit komplexen Ritualen zur Befriedung von Geistern
- Befreiungsdienst oft als direkte Alternative zu traditionellen schamanistischen Praktiken
- Besondere Herausforderungen bei der Bekehrung ehemaliger Schamanen oder Medien
Westliche Perspektiven:
- Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichem Weltbild und biblischem Zeugnis
- Zunehmende Öffnung für das Übernatürliche auch in säkularen Kontexten
- Unterschiedliche Ausdrucksformen: subtilere Formen dämonischen Einflusses in westlichen Kontexten
- Herausforderung der Unterscheidung zwischen psychischen Störungen und spirituellen Problemen
Zusammenfassung
Die Gabe der Dämonenaustreibung (Exorzismus) ist eine in der Bibel fest verankerte Funktion, die Jesus praktizierte und ausdrücklich an seine Nachfolger weitergab. Sie umfasst die besondere Befähigung, dämonische Einflüsse zu erkennen und durch die Autorität Christi zu konfrontieren und zu vertreiben.
Diese Gabe war in der frühen Kirche selbstverständlich und wurde im Laufe der Kirchengeschichte unterschiedlich praktiziert – von hochritualisierter Form bis hin zu einfachen Befreiungsgebeten. In verschiedenen kulturellen Kontexten nimmt sie unterschiedliche Ausdrucksformen an, bleibt aber im Kern eine Manifestation der Herrschaft Christi über alle anderen Mächte.
Die verantwortungsvolle Ausübung dieser Gabe erfordert biblische Fundierung, geistliche Reife, Demut und Unterscheidungsvermögen. Sie sollte weder sensationalistisch überbewertet noch rationalistisch ignoriert werden. In Verbindung mit anderen Gaben wie Unterscheidung, Heilung und Weisheit kann sie ein wichtiger Teil des umfassenden Heilungsauftrags der Gemeinde sein.
Die Gabe steht im Spannungsfeld zwischen verschiedenen theologischen Perspektiven und wissenschaftlichen Weltbildern. Ihre gesunde Praxis erfordert ein ausgewogenes Verständnis der biblischen Lehre über geistliche Mächte, Sensibilität für psychologische und kulturelle Faktoren sowie eine tiefe Verwurzelung in der Liebe und Autorität Christi.
Im heutigen Kontext bietet diese Gabe eine wichtige Ergänzung zu medizinischen und psychologischen Ansätzen – nicht als Alternative, sondern als komplementäre Dimension der ganzheitlichen Heilung und Befreiung, die das Evangelium verheißt.
Schlüsselverse zur Gabe der Dämonenaustreibung
- Markus 16,17: „Die Zeichen aber, die folgen werden denen, die da glauben, sind diese: In meinem Namen werden sie böse Geister austreiben…“
- Matthäus 10,1: „Und er rief seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen Macht über die unreinen Geister, dass sie die austrieben und heilten alle Krankheiten und alle Gebrechen.“
- Lukas 10,17-19: „Die Siebzig aber kamen zurück voll Freude und sprachen: Herr, auch die bösen Geister sind uns untertan in deinem Namen! Er aber sprach zu ihnen: Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz. Seht, ich habe euch Macht gegeben, zu treten auf Schlangen und Skorpione, und Macht über alle Gewalt des Feindes; und nichts wird euch schaden.“
- Matthäus 12,28: „Wenn ich aber durch den Geist Gottes die bösen Geister austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen.“
- Lukas 11,20: „Wenn ich aber durch Gottes Finger die bösen Geister austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen.“
- Markus 1,25-26: „Und Jesus bedrohte ihn und sprach: Verstumme und fahre aus von ihm! Und der unreine Geist riss ihn und schrie laut und fuhr aus von ihm.“
- Markus 9,29: „Und er sprach: Diese Art kann durch nichts ausfahren als durch Beten [und Fasten].“
- Apostelgeschichte 16,18: „Paulus aber wurde unwillig und wandte sich um und sprach zu dem Geist: Ich gebiete dir im Namen Jesu Christi, dass du von ihr ausfährst. Und er fuhr aus zu derselben Stunde.“
- Apostelgeschichte 19,13-16: „Es unterstanden sich aber einige der umherziehenden jüdischen Beschwörer, den Namen des Herrn Jesus zu nennen über denen, die böse Geister hatten, und sprachen: Ich beschwöre euch bei dem Jesus, den Paulus predigt. […] Aber der böse Geist antwortete und sprach zu ihnen: Jesus kenne ich wohl und von Paulus weiß ich wohl; aber wer seid ihr? Und der Mensch, in dem der böse Geist war, stürzte sich auf sie und überwältigte sie alle und war so stark gegen sie, dass sie nackt und verwundet aus dem Haus flohen.“
- Epheser 6,12: „Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel.“
- Jakobus 4,7: „So seid nun Gott untertan. Widersteht dem Teufel, so flieht er von euch.“
- Johannes 3,8: „Wer Sünde tut, der ist vom Teufel; denn der Teufel sündigt von Anfang an. Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.“
- Johannes 4,4: „Kinder, ihr seid von Gott und habt jene überwunden; denn der in euch ist, ist größer als der, der in der Welt ist.“
- Markus 3,15: „Und er setzte die Zwölf ein und gab ihnen den Namen Apostel, dass sie bei ihm sein sollten und dass er sie aussendete zu predigen und dass sie Vollmacht hätten, die bösen Geister auszutreiben.“
- Markus 5,8: „Denn er hatte zu ihm gesagt: Fahre aus, du unreiner Geist, von dem Menschen!“