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Die Gabe der Unterscheidung der Geister

Definition und Wortbedeutung

Der Begriff „Unterscheidung der Geister“ stammt aus 1. Korinther 12,10, wo Paulus von „διακρίσεις πνευμάτων“ (diakríseis pneumátōn) spricht. Diese Wortverbindung setzt sich aus zwei griechischen Begriffen zusammen:

  • διακρίσεις (diakríseis): der Plural von „diákrisis“, was „Unterscheidung“, „Beurteilung“ oder „Trennung“ bedeutet. Das Wort beinhaltet die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Dingen zu unterscheiden und sie korrekt zu beurteilen.
  • πνευμάτων (pneumátōn): der Genitiv Plural von „pneúma“, was „Geist“, „Hauch“ oder „Wind“ bedeutet. Im neutestamentlichen Kontext kann es sich auf den Heiligen Geist, menschliche Geister oder auch auf dämonische Geister beziehen.

Die Gabe der Unterscheidung der Geister bezieht sich somit auf eine übernatürliche Fähigkeit, zwischen verschiedenen geistlichen Quellen zu unterscheiden – zu erkennen, ob eine Äußerung, ein Phänomen oder eine Lehre vom Heiligen Geist, vom menschlichen Geist oder von dämonischen Mächten inspiriert ist.

Biblische Grundlage

Die primäre biblische Grundlage für die Gabe der Unterscheidung der Geister findet sich in:

  • 1. Korinther 12,10: „…einem andern die Unterscheidung der Geister…“ (Luther)

Darüber hinaus gibt es weitere biblische Passagen, die diese Gabe verdeutlichen oder ihre Notwendigkeit unterstreichen:

  • 1. Johannes 4,1-3: „Ihr Lieben, glaubt nicht einem jeden Geist, sondern prüft die Geister, ob sie von Gott sind; denn viele falsche Propheten sind hinausgegangen in die Welt. Daran erkennt ihr den Geist Gottes: Ein jeder Geist, der bekennt, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist, der ist von Gott; und ein jeder Geist, der Jesus nicht bekennt, der ist nicht von Gott.“
  • 1. Thessalonicher 5,19-22: „Den Geist löscht nicht aus. Prophetische Rede verachtet nicht. Prüft aber alles und das Gute behaltet. Meidet das Böse in jeder Gestalt.“
  • Apostelgeschichte 16,16-18: Paulus erkennt den „Wahrsagegeist“ in einer Magd, der oberflächlich betrachtet positiv erscheinen könnte, da sie die Wahrheit über Paulus und seine Gefährten sagte.
  • Matthäus 16,21-23: Jesus unterscheidet zwischen göttlicher und menschlicher/satanischer Motivation in Petrus‘ Worten.

Die Notwendigkeit der Unterscheidung in der frühen Kirche

Die frühe christliche Gemeinde war mit verschiedenen geistlichen Herausforderungen konfrontiert, die die Gabe der Unterscheidung erforderlich machten:

1. Das Aufkommen falscher Propheten und Lehrer

  • Jesus hatte vor falschen Propheten gewarnt (Matthäus 7,15-20; 24,11.24).
  • Paulus warnte vor „Wölfen“ in der Gemeinde (Apostelgeschichte 20,29-30).
  • Die frühen Christen mussten zwischen wahren und falschen apostolischen Ansprüchen unterscheiden (Offenbarung 2,2).

2. Die Vielfalt geistlicher Manifestationen

  • Zungenrede, Prophetie und andere charismatische Äußerungen erforderten Beurteilung (1. Korinther 14,29).
  • Nicht jede geistliche Erfahrung stammte automatisch vom Heiligen Geist.
  • Die Unterscheidung half, geistliche Phänomene richtig einzuordnen.

3. Synkretistische Einflüsse

  • Heidnische Praktiken und Philosophien drohten, in die christliche Gemeinde einzudringen.
  • Gnostische und andere falsche Lehren begannen sich zu entwickeln.
  • Die Gabe half, wahre christliche Lehre von vermischten Formen zu unterscheiden.

4. Dämonische Aktivität

  • Die Evangelien und die Apostelgeschichte berichten von dämonischer Aktivität.
  • Die frühen Christen mussten zwischen psychischen Problemen, dämonischer Beeinflussung und anderen Zuständen unterscheiden können.

Theologische Perspektiven zur Gabe der Unterscheidung der Geister

Verschiedene theologische Traditionen interpretieren diese Gabe unterschiedlich:

1. Die pentekostal-charismatische Perspektive

Diese Sichtweise betont:

  • Die Unterscheidung der Geister als aktive Geistesgabe für heute.
  • Die Fähigkeit, übernatürlich den Ursprung geistlicher Manifestationen zu erkennen.
  • Die Notwendigkeit dieser Gabe besonders im Kontext intensiver geistlicher Erfahrungen und Phänomene.
  • Die Anwendung der Gabe in Befreiungsdiensten und bei der Beurteilung prophetischer Worte oder anderer Geistesgaben.

2. Die evangelikale Perspektive

Diese Perspektive betont oft:

  • Die Unterscheidung primär durch biblisches Wissen und Weisheit.
  • Die Anwendung klarer biblischer Kriterien zur Beurteilung von Lehren und Praktiken.
  • Die Bedeutung von Gemeinschaft und kollektiver Weisheit bei der Unterscheidung.
  • Eine vorsichtige, aber offene Haltung gegenüber übernatürlichen Manifestationen.

3. Die reformierte Perspektive

Diese Sichtweise betont häufig:

  • Die Zentralität der Schrift als Hauptkriterium der Unterscheidung.
  • Die Rolle des Heiligen Geistes als Lehrer und Führer in das Verständnis der Schrift.
  • Die Notwendigkeit fundierter theologischer Bildung für gesunde Unterscheidung.
  • Die Kontinuität mit der historischen christlichen Lehre als Prüfstein.

Kennzeichen und Funktionen der Gabe der Unterscheidung der Geister

Kennzeichen

Die Gabe der Unterscheidung der Geister äußert sich typischerweise durch:

  1. Geistliche Sensibilität: Eine besondere Empfänglichkeit für die „Atmosphäre“ oder geistliche Dynamik in Situationen oder Personen.
  2. Intuitives Erkennen: Ein inneres „Wissen“ oder eine Gewissheit über den Ursprung geistlicher Manifestationen, oft ohne sofort rationale Erklärungen dafür zu haben.
  3. Klare Wahrnehmung: Die Fähigkeit, hinter Fassaden zu sehen und verborgene Motivationen oder Einflüsse zu erkennen.
  4. Wachsamkeit: Eine natürliche Aufmerksamkeit für Abweichungen von gesunder Lehre oder Praxis.
  5. Geistliche Autorität: Die Fähigkeit, mit Bestimmtheit gegen falsche geistliche Einflüsse aufzutreten.

Funktionen

Die Gabe der Unterscheidung der Geister erfüllt im Leib Christi mehrere wichtige Funktionen:

  1. Schutz: Bewahrung der Gemeinde vor falschen Lehren und destruktiven geistlichen Einflüssen.
  2. Reinigung: Hilfe bei der Identifikation und Beseitigung von schädlichen oder unreinen Elementen im Gemeindeleben.
  3. Bestätigung: Bekräftigung authentischer geistlicher Erfahrungen und Lehren.
  4. Klärung: Aufdeckung von Verwirrung und Schaffung von Klarheit in komplexen geistlichen Situationen.
  5. Leitung: Führung bei Entscheidungen, die geistliche Unterscheidung erfordern.
  6. Befreiung: Identifikation dämonischer Einflüsse als Grundlage für Befreiungsdienste.
  7. Balance: Hilfe, ein ausgewogenes geistliches Leben zu führen, das weder in Leichtgläubigkeit noch in übermäßigen Skeptizismus verfällt.

Bereiche der Unterscheidung

Die Gabe der Unterscheidung der Geister kann sich auf verschiedene Bereiche beziehen:

1. Unterscheidung von Lehren und Ideen

  • Beurteilung theologischer Konzepte und Lehren im Licht der Schrift.
  • Erkennen subtiler Abweichungen von biblischer Wahrheit.
  • Identifikation von Halbwahrheiten oder verzerrten biblischen Konzepten.

2. Unterscheidung von Motivationen und Quellen

  • Erkennen, ob Worte oder Handlungen aus göttlicher, menschlicher oder dämonischer Quelle stammen.
  • Wahrnehmung verborgener Motivationen hinter geistlichen Äußerungen oder Diensten.
  • Unterscheidung zwischen fleischlichen Ambitionen und echter geistlicher Berufung.

3. Unterscheidung von geistlichen Manifestationen

  • Beurteilung charismatischer Phänomene wie Zungenrede, Prophetie oder Heilungen.
  • Erkennen, ob emotionale oder physische Manifestationen geistlichen oder psychologischen Ursprungs sind.
  • Unterscheidung zwischen echter geistlicher Erfahrung und Selbsttäuschung oder Manipulation.

4. Unterscheidung von Personen und Diensten

  • Erkennen der wahren geistlichen Natur von Leitern oder Diensten.
  • Wahrnehmung von charakterlichen Defiziten trotz beeindruckender äußerer Erscheinung.
  • Identifikation von „falschen Arbeitern“, die sich als Diener Christi tarnen (2. Korinther 11,13-15).

Kriterien der Unterscheidung

Die Bibel und die kirchliche Tradition bieten verschiedene Kriterien zur Unterscheidung der Geister:

1. Biblische Übereinstimmung

  • Lehrkonfirmität: „Wenn jemand zu euch kommt und bringt diese Lehre nicht, so nehmt ihn nicht ins Haus und grüßt ihn auch nicht“ (2. Johannes 10).
  • Christologischer Test: „Daran erkennt ihr den Geist Gottes: Ein jeder Geist, der bekennt, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist, der ist von Gott“ (1. Johannes 4,2).
  • Treue zur apostolischen Lehre: „Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel“ (Apostelgeschichte 2,42).

2. Geistliche Frucht

  • Lebensweise: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“ (Matthäus 7,16).
  • Charakterfrucht: Die Prüfung anhand der Frucht des Geistes (Galater 5,22-23).
  • Liebe: „Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt“ (Johannes 13,35).

3. Gemeinschaftliche Bestätigung

  • Gemeinschaftliche Prüfung: „Lasst zwei oder drei prophetisch reden, und die anderen lasst urteilen“ (1. Korinther 14,29).
  • Übereinstimmung der Gläubigen: „Denn es gefällt dem Heiligen Geist und uns…“ (Apostelgeschichte 15,28).
  • Historische Kontinuität: Übereinstimmung mit der historischen Lehre der Kirche.

4. Geistliche Wirkung

  • Aufbau der Gemeinde: „Wer aber prophetisch redet, der redet den Menschen zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung“ (1. Korinther 14,3).
  • Verherrlichung Christi: „Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er’s nehmen und euch verkündigen“ (Johannes 16,14).
  • Geistliche Reife: Führt die Lehre oder Manifestation zu geistlicher Reife oder zu geistlicher Unreife?

Die Gabe der Unterscheidung der Geister in der Praxis

Die Gabe der Unterscheidung der Geister kann in verschiedenen Kontexten und auf verschiedene Weisen praktiziert werden:

1. Im Gemeindeleben

  • Bei der Beurteilung prophetischer Worte oder Lehren
  • Bei der Prüfung neuer Praktiken oder Trends in der Gemeinde
  • Bei der Auswahl und Einsetzung von Leitern
  • Bei der Entscheidung über Gemeinschaft oder Trennung von anderen Gruppen

2. In seelsorgerlichen Kontexten

  • Bei der Unterscheidung zwischen geistlichen und psychologischen Problemen
  • Bei der Erkennung dämonischer Einflüsse oder Bindungen
  • Bei der Begleitung von Menschen in geistlichen Krisen oder Verwirrungen
  • Bei der Beurteilung von Träumen, Visionen oder anderen geistlichen Erfahrungen

3. In gesellschaftlichen und kulturellen Fragen

  • Bei der Beurteilung kultureller Trends und deren Einfluss auf die Gemeinde
  • Bei der Unterscheidung zwischen kultureller Anpassung und Kompromiss
  • Bei der Identifikation von ideologischen Einflüssen in Gesellschaft und Kirche
  • Bei der Bewertung neuer religiöser Bewegungen oder Philosophien

Anzeichen der Gabe der Unterscheidung der Geister

Menschen mit der Gabe der Unterscheidung der Geister zeigen oft folgende Merkmale:

  1. Geistliche Sensibilität: Eine besondere Empfindsamkeit für geistliche Atmosphären und Einflüsse.
  2. Skepsis mit Balance: Eine gesunde Skepsis, die weder in Zynismus noch in Leichtgläubigkeit verfällt.
  3. Tiefes Bibelwissen: Eine fundierte Kenntnis der Schrift als Basis der Unterscheidung.
  4. Intuitives Verständnis: Ein „Bauchgefühl“ für geistliche Wahrheit oder Falschheit, das sich später oft als richtig erweist.
  5. Schutzinstinkt: Ein natürlicher Drang, andere vor falschen oder schädlichen geistlichen Einflüssen zu bewahren.
  6. Klarheit in Verwirrung: Die Fähigkeit, in geistlich verworrenen Situationen Klarheit zu sehen und zu vermitteln.
  7. Unnachgiebigkeit bei Falschheit: Eine Weigerung, bei erkannter geistlicher Falschheit Kompromisse einzugehen.

Gefahren und Herausforderungen

Die Gabe der Unterscheidung der Geister birgt auch spezifische Versuchungen und Herausforderungen:

  1. Richtgeist: Die Versuchung, überkritisch zu werden und in pharisäische Haltungen zu verfallen.
  2. Isolation: Die Tendenz, sich aufgrund von Unterscheidungsfähigkeiten von anderen zu isolieren.
  3. Misstrauen: Die Gefahr, grundsätzlich misstrauisch gegenüber neuen Ideen oder Erfahrungen zu werden.
  4. Hochmut: Die Versuchung, sich aufgrund besonderer Einsichten für geistlich überlegen zu halten.
  5. Verurteilung statt Wiederherstellung: Der Fokus auf das Identifizieren von Problemen ohne konstruktive Lösungen anzubieten.
  6. Überforderung: Die Last, ständig geistliche Situationen beurteilen zu müssen.
  7. Unausgewogenheit: Die Gefahr, natürliche Weisheit und Erkenntnis zugunsten vermeintlich übernatürlicher Eindrücke zu vernachlässigen.

Entwicklung und Förderung der Gabe der Unterscheidung der Geister

Obwohl die Gabe der Unterscheidung der Geister ein Geschenk des Heiligen Geistes ist, kann sie gefördert und entwickelt werden:

  1. Bibelstudium: Tiefes Verständnis der Schrift als Grundlage gesunder Unterscheidung.
  2. Gebet: Regelmäßiges Gebet um Weisheit und Klarheit (Jakobus 1,5).
  3. Gemeinschaft: Dialog und Austausch mit reifen Gläubigen zur Schärfung der eigenen Unterscheidung.
  4. Theologische Bildung: Fundierte Kenntnis der christlichen Lehre und ihrer geschichtlichen Entwicklung.
  5. Praktische Übung: Bewusste Ausübung der Unterscheidung in sicheren, gemeinschaftlichen Kontexten.
  6. Feedback: Bereitschaft, Rückmeldungen zu eigenen Unterscheidungsurteilen anzunehmen.
  7. Ausgewogenheit: Entwicklung eines ganzheitlichen geistlichen Lebens, das nicht von einer Gabe dominiert wird.
  8. Demut: Bereitschaft, eigene Urteile zu hinterfragen und zu korrigieren.

Biblische Beispiele der Gabe der Unterscheidung der Geister

1. Jesus Christus

Als vollkommenes Vorbild der Unterscheidung:

  • Erkannte die Gedanken der Pharisäer und Schriftgelehrten (Matthäus 9,4; 12,25)
  • Unterschied zwischen göttlicher Wahrheit und menschlicher Tradition (Markus 7,1-13)
  • Identifizierte satanischen Einfluss in Petrus‘ Worten (Matthäus 16,21-23)
  • Erkannte die wahre Natur von Menschen (Johannes 2,24-25)

2. Paulus

Als Apostel mit scharfer Unterscheidungsgabe:

  • Durchschaute den Wahrsagegeist in der Magd zu Philippi (Apostelgeschichte 16,16-18)
  • Erkannte die Falschheit des Zauberers Elymas (Apostelgeschichte 13,9-10)
  • Warnte vor subtilen Verschiebungen in der gesunden Lehre (Galater 1,6-9)
  • Konfrontierte falsche Apostel in Korinth (2. Korinther 11,13-15)

3. Johannes

Als Apostel mit Betonung der Unterscheidung:

  • Gab klare Kriterien zur Unterscheidung der Geister (1. Johannes 4,1-6)
  • Identifizierte frühe gnostische Einflüsse (1. Johannes und 2. Johannes)
  • Entlarvte falsche Lehrer und ihre Praktiken (3. Johannes 9-10; Offenbarung 2-3)

4. Die Gemeinde in Ephesus

Als Gemeinschaft mit kollektiver Unterscheidungsgabe:

  • „Du hast geprüft, die sagen, sie seien Apostel, und sind’s nicht, und hast sie als Lügner befunden“ (Offenbarung 2,2)

Die Gabe der Unterscheidung der Geister im Verhältnis zu anderen Gaben

Die Gabe der Unterscheidung der Geister steht in besonderer Beziehung zu anderen Geistesgaben:

  1. Prophetie: Die Unterscheidung dient zur Prüfung prophetischer Äußerungen (1. Korinther 14,29).
  2. Lehre: Unterscheidung hilft, gesunde von ungesunder Lehre zu trennen (Titus 1,9).
  3. Erkenntnis: Während die Gabe der Erkenntnis Einsicht in Fakten gibt, hilft die Unterscheidung, deren Quelle und Bedeutung zu verstehen.
  4. Weisheit: Die Gabe der Weisheit ergänzt die Unterscheidung, indem sie Wege aufzeigt, mit erkannten geistlichen Realitäten umzugehen.
  5. Zungenrede und Auslegung: Die Unterscheidung hilft, authentische von nicht-authentischen Manifestationen dieser Gaben zu unterscheiden.

Theologische Reflexion: Unterscheidung in einer pluralistischen Welt

In der heutigen pluralistischen und relativistischen Gesellschaft nimmt die Gabe der Unterscheidung eine besondere Bedeutung an:

  1. Vielfalt der Stimmen: In einer Welt mit zahllosen geistlichen und ideologischen Stimmen wird die Fähigkeit zur Unterscheidung immer wichtiger.
  2. Synkretistische Tendenzen: Die Vermischung verschiedener religiöser und spiritueller Konzepte erfordert klare geistliche Unterscheidung.
  3. Subtile Irreführung: Täuschung präsentiert sich selten als offensichtlich falsch, sondern oft als leichte Abweichung von der Wahrheit.
  4. Balance zwischen Offenheit und Treue: Die Herausforderung besteht darin, offen für legitime neue Einsichten zu sein, während man der Wahrheit treu bleibt.
  5. Unterscheidung ohne Verurteilung: Die Fähigkeit, Falschheit zu erkennen, ohne Menschen zu verdammen oder zu verurteilen.

Praktische Anwendung in verschiedenen Diensten

1. Gemeindeleitung

  • Beurteilung neuer Lehren, Trends oder Praktiken
  • Prüfung potenzieller Leiter und Mitarbeiter
  • Erkennung subtiler Abweichungen von gesunder Lehre
  • Navigation durch komplexe Entscheidungsprozesse

2. Seelsorge und Beratung

  • Identifikation von Wurzelproblemen hinter Symptomen
  • Unterscheidung zwischen geistlichen, psychologischen und physiologischen Faktoren
  • Erkennung geistlicher Bindungen oder dämonischer Einflüsse
  • Führung durch geistliche Verwirrung oder Krisen

3. Interkulturelle Mission

  • Unterscheidung zwischen kulturellen Formen und geistlichen Inhalten
  • Erkennung synkretistischer Einflüsse
  • Identifikation öffnender Faktoren für das Evangelium
  • Bewertung indigener religiöser Praktiken

4. Apologetik und Dialog

  • Unterscheidung zwischen echten Fragen und manipulativen Argumenten
  • Erkennung von Halbwahrheiten in anderen Weltanschauungen
  • Identifikation von Anknüpfungspunkten für das Evangelium
  • Bewahrung vor Kompromissen in der Wahrheit

Zusammenfassung

Die Gabe der Unterscheidung der Geister ist eine besondere Befähigung durch den Heiligen Geist, zwischen verschiedenen geistlichen Quellen zu unterscheiden – zu erkennen, ob eine Äußerung, ein Phänomen oder eine Lehre vom Heiligen Geist, vom menschlichen Geist oder von dämonischen Mächten inspiriert ist. Sie dient dem Schutz der Gemeinde vor falschen Einflüssen, der Bestätigung authentischer geistlicher Erfahrungen und der Klärung in verwirrenden Situationen.

Diese Gabe war in der frühen Kirche von großer Bedeutung und ist es auch heute noch, besonders in einer pluralistischen Welt mit vielfältigen geistlichen und ideologischen Strömungen. Sie äußert sich in verschiedenen Formen – von intuitiver Wahrnehmung bis zu fundierter theologischer Beurteilung – und wird durch biblische Kriterien, geistliche Frucht, gemeinschaftliche Bestätigung und geistliche Wirkung geprüft.

Während die Gabe der Unterscheidung ein besonderes Charisma ist, sind alle Gläubigen aufgerufen, geistliche Unterscheidungsfähigkeit zu entwickeln (Hebräer 5,14). Sie ist eine unverzichtbare Komponente für geistliche Reife und Wachstum, sowohl für Einzelne als auch für die Gemeinde als Ganzes.

Schlüsselverse zur Gabe der Unterscheidung der Geister

  • 1. Korinther 12,10: „…einem andern die Unterscheidung der Geister…“
  • 1. Johannes 4,1: „Ihr Lieben, glaubt nicht einem jeden Geist, sondern prüft die Geister, ob sie von Gott sind; denn viele falsche Propheten sind hinausgegangen in die Welt“
  • 1. Thessalonicher 5,19-22: „Den Geist löscht nicht aus. Prophetische Rede verachtet nicht. Prüft aber alles und das Gute behaltet. Meidet das Böse in jeder Gestalt“
  • 1. Korinther 14,29: „Lasst zwei oder drei prophetisch reden, und die anderen lasst urteilen“
  • Hebräer 5,14: „Feste Speise aber ist für die Vollkommenen, die durch den Gebrauch geübte Sinne haben zur Unterscheidung des Guten und des Bösen“
  • Matthäus 7,15-16: „Seht euch vor vor den falschen Propheten… An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“
  • Matthäus 16,22-23: Jesus zu Petrus: „Geh hinter mich, Satan! Du bist mir ein Ärgernis; denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist“
  • Apostelgeschichte 16,16-18: Paulus erkennt den Wahrsagegeist in der Magd
  • Apostelgeschichte 13,9-10: Paulus durchschaut die wahre Natur des Elymas
  • Apostelgeschichte 5,1-11: Petrus erkennt die Täuschung von Ananias und Saphira
  • Offenbarung 2,2: „Du hast geprüft, die sagen, sie seien Apostel, und sind’s nicht, und hast sie als Lügner befunden“
  • 2. Korinther 11,13-15: „Denn solche falschen Apostel und betrügerischen Arbeiter verstellen sich als Apostel Christi. Und das ist auch kein Wunder; denn er selbst, der Satan, verstellt sich als Engel des Lichts. Darum ist es nichts Großes, wenn sich auch seine Diener verstellen als Diener der Gerechtigkeit“
  • 2. Timotheus 3,1-9: Warnung vor Menschen, die „den Schein der Frömmigkeit“ haben, aber „deren Kraft verleugnen“
  • Philipper 1,9-10: „Und ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher werde an Erkenntnis und aller Erfahrung, sodass ihr prüfen könnt, was das Beste sei“
  • Kolosser 2,8: „Seht zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus“
  • 2. Johannes 7-11: Warnung vor Irrlehrern und Kriterien zur Unterscheidung
  • Jeremia 23,16-22: Unterscheidung zwischen wahren und falschen Propheten
  • Hesekiel 13,1-16: Gottes Urteil über falsche Propheten
  • 5. Mose 13,2-4: Test für Propheten, selbst wenn ihre Zeichen eintreffen
  • Galater 1,8: „Aber auch wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein Evangelium predigen würden, das anders ist, als wir es euch gepredigt haben, der sei verflucht“
  • Apostelgeschichte 17,11: „Diese aber waren freundlicher als die in Thessalonich; sie nahmen das Wort mit aller Bereitwilligkeit auf und forschten täglich in der Schrift, ob sich’s so verhielte“.